Bilanz-Betrug: Was uns Luckin Coffee über die Risiken bei China-Aktien zeigt

Der Bilanz-Betrug bei Luckin Coffee zeigt diese Tage eindrucksvoll, welche Risiken China-Aktien mit sich bringen. Zuletzt noch als das bessere Starbucks bejubelt, folgte nun der harte Absturz. Mehr als 90 Prozent vom Hoch hat die Aktie eingebüßt. Ende ungewiss.

Bilanz-Manipulation bei Luckin Coffee

Die Zahlen waren beeindruckend. Vor zwei Jahren mit neun Filialen gestartet, konnte Luckin Coffee die Zahl auf rund 4.500 Geschäfte erhöhen. Die Umsätze explodierten und sollten innerhalb eines Jahres um mehr als 400 Prozent von 125 Mio. USD auf rund 730 Mio. USD steigen. Für 2021 wurde sogar schon ein Umsatz von 3,3 Mrd. USD prognostiziert. Und das bei einer gleichzeitigen Zunahme der Gewinne.

(Erwartete) Umsätze und Gewinne bei Luckin Coffee
(Erwartete) Umsätze und Gewinne bei Luckin Coffee

Luckin Coffee wurde als das bessere und innovativere Starbucks gefeiert. Auch Personen wie die Gründer von „The Motley Fool“ – David und Tom Gardner – und etliche Analysten standen dem Unternehmen sehr positiv gegenüber.

Was soll schon schief gehen, wenn auch Finanzexperten die Fundamentaldaten von Luckin Coffee für vertrauenswürdig und plausibel halten?

Wie man jetzt sieht so Einiges.

Der Shortseller „Muddy Waters“ hat ein PDF-Dokument (ich habe es euch hier hochgeladen) zugespielt bekommen. Auf 89 Seiten wird hier detailliert geschildert, wie Luckin Coffee manipuliert. Die Anschuldigungen sind nicht nur aus der Luft gegriffen, um den Aktienkurs kurzzeitig unter Druck zu bringen, sondern werden mit über 11.000 Stunden Videomaterial und über 25.000 gesammelten Kassenbons belegt.

Die Ersteller des Berichts haben so herausgefunden, dass 69 – 88 Prozent der angeblich verkauften Ware nur Luftbuchungen waren. Zudem waren die Preise auf den Kassenbons um rund 12 Prozent höher angegeben als das, was der Kunde wirklich bezahlt hat. Eingebucht wurden z.B. 12.3 RMB, obwohl der Kunde nur 10 RMB bezahlt hat.

Insgesamt wurden dadurch ab dem zweiten Quartal 2019 etwa 290 Millionen Dollar zu viel Umsatz berechnet. Wenn man bedenkt, dass Luckin Coffee im Gesamtjahr 2019 etwa 730 Mio. Dollar Umsatz prognostiziert hat, macht das hochgerechnet mehr als die Hälfte aus.

Zuerst hat Luckin Coffee die Vorwürfe dementiert. Später jedoch musste das Unternehmen gefälschte Umsätze bestätigen.

Nicht der erste Fall von „Chinese Fraud“

Es gab in der Vergangenheit schon viele Fälle, in denen Anleger durch geschönte Bilanzen bei China-Aktien betrogen wurden. Oft geblendet durch die allgemeine Goldgräber-Stimmung und angeblich stark steigenden Umsätzen und Gewinnen bei chinesischen Firmen.

Als Beispiel Orient Paper (ONP). Das Unternehmen hatte einen Umsatz von 100 Mio. Dollar gemeldet und wuchs angeblich mit 50 Prozent. Der Gewinn betrug 12,5 Mio. Dollar. ONP wurde ein Börsenwert von über 100 Mio. USD zugestanden.

2010 besuchten dann Journalisten aus den USA das Hauptwerk von Orient Paper. Und deckten einen riesigen Betrug auf. Mehr als die Hälfte der Maschinen lief nicht, in den Hallen stand Wasser und auf dem Hof verrottete die Wellpappe.

Betriebshof von "Orient Paper" (ONP)
Betriebshof von „Orient Paper“ (ONP) Quelle: The China Hustle

Der faire Wert von ONP lag nicht bei über 100 Mio. USD, sondern eher bei maximal 5 Mio. Der anschließende Kursverlust war gewaltig. Nicht wenige Anleger hatten teils große Summen investiert. Weitere Betrugsfälle gab es zum Beispiel bei China Agritech, Longwei Petroleum, Sino Clean Energy, China Green Agriculture,… Und nun auch bei Luckin Coffee. Wobei die Marktkapitalisierung hier nicht bei einigen Millionen, sondern einigen Milliarden USD lag.

Glimpflich davon gekommen sind hingegen oft die Manager. Denn – und auch das ist eines der großen Probleme, die ich mit China-Aktien habe: Wer ausländische Anleger betrügt, muss kaum mit Strafverfolgung oder Verurteilung rechnen. Wer solche Betrugsfälle hingegen aufzudecken versucht hingegen schon. Die Netflix-Dokumentation „The China Hustle“ ist in dem Zusammenhang sehr interessant.

Fazit

Wer in Aktien aus China investiert kann durchaus hohe Renditen erzielen. Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass die Risiken von Bilanzfälschungen und -schönungen hier höher sind als etwa in Europa oder den USA. Auch wenn China weiterhin ein hohes Wachstum ausweisen kann: Wenn die Fundamentaldaten eines Unternehmens zu schön sind, um wahr zu sein, dann ist es meistens auch so. Derzeit ebenfalls im Verdacht etwa stehen IQIYI (IQ) und Tal Education Group (TAL).

Allgemein gilt: Extrem starkes Umsatzwachstum bei gleichzeitig steigender Profitabilität, große Aktienverkäufe von Insidern beziehungsweise Vorständen und bessere Margen als der größte, etablierte Konkurrent sollten stutzig machen. Zudem sollte man immer das Management beleuchten und überprüfen, ob die Mitglieder vertrauenswürdig sind.

Eine vollständige Abstinenz von China-Aktien ist zwar nicht unbedingt notwendig. Doch bedarf es hier einer noch größeren Beobachtung und eines Konsequenten Risikomanagements, falls ernsthafte Betrugsvorwürfe im Raum stehen.

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