Langfristige Trends im Chart erkennen – ein Überblick (Gastbeitrag)

Wie ihr wisst zähle ich mich zu den „Buy & Hold & Check“-Anlegern und setze zur Entscheidungsfindung größtenteils auf fundamentale Kriterien. Allerdings besitzt auch die technische Chartanalyse einen gewissen Stellenwert an der Börse. Da ich auf diesem Gebiet jedoch nur – nennen wir es eingeschränkte – Kenntnisse besitze, hat Juliane Paul von Guidants in einem Gastbeitrag einen Überblick oft verwendeter Werkzeuge bei der langfristig orientierten Chartanalyse verfasst.

Über eine simple Strategie – die der gleitenden Durchschnitte, auch bekannt zum Beispiel als 50- oder 200-Tage-Linien – habe ich bereits geschrieben. Es gibt jedoch noch einige weitere, hilfreiche Funktionen, um einen Chart zu analysieren.

Inhalt

Langfristig Anlegen: Trends, Charts und Indikatoren

Manchmal ist es das Beste, nichts zu tun. Zumindest an der Börse ist es so möglich, erstaunliche Renditen zu erzielen.

Hilfreich bei dieser Art des Investierens ist es, langfristige Trends erkennen und deuten zu können. Mithilfe der Technischen Analyse (Chartanalyse) und unterstützenden, trendfolgenden Indikatoren ist die Trenderkennung gar nicht so schwer.

„The trend ist your friend” ist wohl mit eine der bekanntesten Börsenweisheiten. Gemeint ist damit, dass sich der bisherige Verlauf im Chart einer Aktie oft auch weiterhin in diese Richtung fortsetzt.

Aber fangen wir zunächst mal ganz von vorne an: Was ist ein Trend überhaupt?

Bei dieser Erklärung gehen wir zunächst von einem Aufwärts-, also einem positiven, Trend aus. Für den Abwärtstrend kann die Beschreibung meist genau gegenteilig angenommen werden

Nach der Dow-Theorie ist ein Aufwärtstrend eine Abfolge höherer Hochs und ebenso höher verlaufender Tiefs. Die Entwicklung erfolgt also nicht geradlinig wie ein Hügel, sondern immer in Form einer Aufwärtsbewegung, einer nachfolgenden Korrektur und einer weiteren Aufwärtsbewegung. Verbindet man diese Bewegungen, ähnelt ein Trend einer Treppe.

Diese Treppe lässt sich relativ einfach erkennen, wenn man im Chart alle Hoch- und Tiefpunkte miteinander verbindet. Das ist natürlich händisch möglich, eine praktische Unterstützung bietet bei diesem ersten Schritt der Trenderkennung aber der „Highest-High-Lowest-Low“-Indikator (HHLL-Indikator).

HHLL-Indikator

Der HHLL-Indikator ist ein leicht verständliches und weit verbreitetes Mittel zur Aktienanalyse und Trenderkennung. Er dient in erster Linie dazu, das Trendkonzept der Dow-Theorie darzustellen. Damit vereinfacht er es ungemein, einen Trend im Chart zu erkennen.

Funktionsweise: Der HHLL-Indikator verbindet jeweils die höchsten Hochs und die tiefsten Tiefs eines vorher festgelegten Zeitraums im Chart miteinander. Je größer der Zeitraum dabei gewählt wurde, desto langfristiger wird analysiert. Durch die Verbindung der Punkte entsteht ein Preiskanal, der Aufschluss über den Verlauf des Trends und auch Hinweise auf potentiell günstige Einstiegschancen gibt. Folgt auf ein höheres Hoch bspw. auch ein höheres Tief, bestätigt dies einen positiven Trend; eine Trendwende oder Korrektur erkennt man deutlich an tieferen Hochs und Tiefs. Unterstützend zu diesem Indikator können Sie eine Trendlinie im Chart einzeichnen.

HHLL-Indikator bei Mastercard seit 2008, Aufwärtstrend
HHLL-Indikator bei Pool Corp. seit 2008, Aufwärtstrend
HHLL-Indikator bei Deutsche Bank seit 2008, Abwärtstrend

Trendlinie

Kein Indikator, aber durchaus eine Hilfe bei der Trenderkennung: die Trendlinie. Diese verbindet – wenn wir weiterhin bei der Betrachtung eines Aufwärtstrends bleiben – wichtige Tiefpunkte miteinander. Dabei beginnt man mit dem Startpunkt des vermuteten Trends und verbindet diesen mit den nächsthöheren Tiefs als Auflagepunkte.

Verläuft die so entstandene Trendlinie vorwiegend oder durchgehend nach oben, kann durchaus angenommen werden, dass es sich um einen positiven Trend handelt.

Trendlinie bei Pool Corporation seit 2009 mit Toleranzband

Bei besonders starken Aufwärtsbewegungen findet man aufgrund ihres exponentiellen Wachstums maximal 3 Auflagepunkte; weniger dynamische, lineare Bewegungen können auch mehr besitzen.

Bei langfristigen Trends können die Verbindungspunkte durchaus auch mehrere Monate auseinanderliegen.

Supertrend-Indikator

Ein Indikator, in dem auch Kursschwankungen mitberücksichtigt werden und der dadurch genauere Werte in der Trenderkennung angibt, ist der Supertrend-Indikator. Seine Berechnung basiert auf zwei Größen: dem Average True Range (ATR), der insbesondere auch Kursschwankungen mitberücksichtigt, und dem Mittelkurs des Basiswerts. Keine Sorge, die Berechnung des Supertrend-Indikators erledigen häufig IT-Lösungen – auf Guidants erfolgt dies bspw. direkt im Chart des gewählten Instruments.

Funktionsweise: Ist der Supertrend erst berechnet, lässt er sich einfach interpretieren. Er wird leicht verständlich mit grünen (aufwärts) und roten (abwärts) Linien dargestellt und gibt so einen guten Überblick über den Verlauf eines Kurses.

Lassen Sie sich aber von einer Sache nicht verwirren: In Abwärtstrendphasen wird der Supertrend über dem Kurs eingezeichnet, bei Trendwechsel springt er darunter.

(Positiver) Supertrend-Indikator bei Mastercard; Zeitintervall „Monat“ seit 2007
(Negativer) Supertrend-Indikator bei Deutsche Bank; Zeitintervall „Monat“ seit 2007

Eine gute Orientierung kann Ihnen der Verlauf und die Farbe der Supertrendlinie geben: Bei Abwärtstrends verläuft er nach unten und wird rot angezeigt. Bei einem positiven Trend springt er auf Grün. Ein langfristiger Trend lässt sich hier leicht erkennen: Liegt der Supertrend unter der aktuellen Kursnotiz und wird grün angezeigt, ist das ein klarer Aufwärtstrend. Wer sich für Ein- und Ausstiegssignale interessiert, kann dies ebenfalls anhand von Schnittpunkten zwischen Supertrend und Kurs ablesen.

Momentum-Indikator

Ein positiver Trend ist dank HHLL- und Supertrend-Indikator sowie Trendlinie erkannt, das ist ein guter Anfang. Ebenfalls interessant ist die Geschwindigkeit, die ein Kurs einschlägt. Wann sich eine Bewegung beschleunigt, verlangsamt oder sogar umschlägt, zeigt das Momentum.

Die Berechnung des Indikators erfolgt anhand der Schlusskurse in einem selbst gewählten Zeitraum. Je länger dieser Zeitraum ist, desto langfristiger kann eine Trendbewegung dargestellt werden. Eine kürzere Periodenlänge bedeutet im Umkehrschluss nicht nur kurzfristigere Einschätzungen, der Indikator reagiert auch schneller und unruhiger auf Bewegungen, was zu fehlerhaften Handelsentscheidungen führen kann.

Momentum-Indikator am Beispiel Mastercard
Momentum-Indikator am Beispiel Apple

Die Funktionsweise ist sehr einfach und eignet sich daher auch für Börseneinsteiger: Ein Momentum im positiven Bereich bedeutet steigende Kurse; steigt das Momentum außerdem von Schlusskurs zu Schlusskurs an, beschleunigt sich dieser Aufwärtstrend. Bei einem Abwärtstrend verhält sich das Momentum genau umgekehrt.

MACD-Indikator

Der Moving Average Convergence/Divergence- (kurz: MACD) Indikator ist eine sehr beliebte Unterstützung bei der Trenderkennung. Er ergibt sich aus zwei verschiedenen Linien, der MACD- und der Signallinie. Beide berechnen sich aus jeweils zwei exponentiell gleitenden Durchschnitten und geben in Verbindung die Richtung und die Stärke eines Trends an. Wer sich in einem Chart den MACD anzeigen lässt, stößt in vielen Fällen außerdem auf Balken. Diese zeigen den Abstand der MACD- und der Signallinie und sind eine praktische Orientierung über den Verlauf beider Linien.

Funktionsweise: Steigt die MACD-Linie, steht das für einen Aufwärtstrend, kreuzen sich MACD- und Signallinie von unten nach oben und/oder wechselt die MACD-Linie in den positiven Bereich, ist dies ein Kaufsignal. Wird der Abstand zwischen beiden Linien bzw. werden die bereits genannten Balken größer, verstärkt sich ein Trend.

MACD-Indikator am Beispiel Mastercard

Wer langfristige Trends erkennen und beobachten will, ist mit den hier aufgeführten Indikatoren gut bedient – sie sind wegen ihrer Verständlichkeit auch für Börseneinsteiger gut geeignet und lassen sich einfach in eine Anlagestrategie bzw. Entscheidungsfindung einbinden. Dabei darf man allerdings niemals aus den Augen verlieren, dass kein Indikator fehlerfrei ist. Daher sollten immer mehrere Indikatoren zur Aktienanalyse genutzt und diese miteinander ins Verhältnis gesetzt werden.

So leicht ein Trend vermeintlich zu erkennen ist, so schnell kann sich dieser auch wieder wenden. Fahren Sie allerdings eine langfristige Strategie, sind diese kurzfristigen Schwankungen für Sie weniger von Bedeutung. Es zählt das sog. bigger picture. Dieses erhalten Sie, wenn Sie im Chart das Zeitintervall auf „Woche“ oder „Monat“ setzen.

Fazit

Ich danke an dieser Stelle Juliane Paul nochmals ganz herzlich für den schönen Überblick über einige der beliebtesten Mittel zur technischen Trenderkennung.

Chartanalyse kann bei der Entscheidungsfindung und Evaluation eines Investments helfen. Ich selbst setzte zu etwa 20-30 Prozent auf diverse charttechnische Methoden. Oft verwende ich solche langfristigen Trends und Trendkanäle, um etwa Nachkaufpunkte für ein bereits bestehendes Investment zu definieren. Die grundsätzliche Entscheidung für ein Investment fußt bei mir jedoch auf einer fundamentalen Analyse. Hier etwa am Beispiel von Amazon.

Für mich persönlich interessant sind die beiden besprochenen Instrumente „HHLL“ und „Supertrend-Indikator“, die ich relativ gut in meine Routine einbinden kann. Besonders in der Chart-Intervall-Einstellung „Woche“ oder „Monat“ bekommt man meiner Meinung nach einen guten groben Überblick über einen bestehenden Trend. Momentum und MACD sind zwar interessant, passen aber nicht so richtig in meine Strategie.

Ich hoffe dass auch für euch ein paar nützliche Informationen dabei waren. Lasst mich gerne wissen, was ihr von den hier genannten Instrumenten haltet oder welche ihr sonst noch verwendet.

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