Nach dem starken Kurseinbruch und der relativ schnellen Erholung suchen viele Anleger nach Schnäppchen-Aktien. Und tatsächlich gibt es weiterhin Aktien, die, meiner Meinung nach, unter ihrem fairen Wert – bezogen auf ein langfristiges Investment – gehandelt werden. Das sind jedoch (leider) nicht die Aktien, die derzeit im Fokus der (Klein-)Anleger stehen.
„Lufthansa, TUI, Shell,…. sind sooo günstig“
Von diesen Aktien hört man in letzter Zeit wieder viel. Klar, denn die Verluste sind riesig. Das Haupt-Argumente, weshalb viele solche Aktien jetzt kaufen wollen:
„Was so tief gefallen ist, dass steigt auch irgendwann wieder“.
„Tui ist ein kerngesundes Unternehmen“.
„Die Dividende von Shell, Freenet,… ist so hoch“.
Woher ich das weiß, dass so viele Menschen nach TUI, Lufthansa und Co. suchen? Einmal sind das (Facebook-)Gruppen, in denen geschrieben wird, welche Aktien man derzeit so gekauft hat und wo man besonders viel Potential sieht. Sehr gut geeignet ist aber auch ein Tool, das sich „Google Trends“ nennt. Und so sehen die entsprechenden Suchanfrage aus:
Die letzten Monate gab es einen starken Anstieg der Suchanfragen. So tief gefallene Aktien mit Namen, die jeder kennt, ziehen Klein-Anleger fast immer magisch an. Sie hoffen – meistens – auf das schnelle Geld und denken, eine Investition in ein solches Unternehmen sei eine sichere Anlage. Irgendetwas scheint der Markt hier zu übersehen. Oder übersieht viel mehr der kleine Anleger etwas?
Was tief fällt, kann noch tiefer fallen. Oder: Turnarounds seldom turn.
Warum sollte eine Tui-Aktie – stellvertretend für Unternehmen in einer ähnlichen Situation – nicht noch einmal 10 Prozent von ihrem jetzigen Kurs aus (3,50 Euro) fallen können. Oder 30 Prozent, 50 Prozent…? Schon bei Kursen um die 9 Euro wurde die Aktie als sicheres Comeback mit der Chance auf eine Verdopplung beworben. Denn sie stand immerhin vor zwei Jahren schon einmal bei 20 Euro.
Das ist toll für alle, die bei 20 Euro noch aussteigen konnten. Aber die Situation hat sich für viele Unternehmen – die teilweise sowieso schon nur knapp überlebt haben – dramatisch geändert. Tui etwa hat schon länger mit Konkurrent in Form von Booking.com, Airbnb und Co. zu kämpfen. Und auch Lufthansa, Carnival, Continental, ect. waren und sind nicht unbedingt bekannt für hohe Margen, steigende Gewinne und wenig Konkurrenz.
Gerade, wo ich hier sitze und den Beitrag schreibe, fällt Tui nochmals um rund 12 Prozent.
Für so tief gefallene Aktien, bei denen man auf ein Comeback wettet, hat Warren Buffet einmal schön gesagt: Turnarounds seldom turn. Grob übersetzt: Turnarounds gelingen selten.
Was das für dein Geld heißt, wenn ein Turnaround nicht gelingt?
Hier liegt auch das Anliegen meiner Warnung. Wer auf einen Turnaround setzt, muss das Unternehmen sehr genau kennen. Und muss Thesen aufstellen, weshalb man an eine positive Entwicklung des Unternehmens glaubt. Etwa weil die Firma ein neues Geschäft erschließt oder sich neu organisiert. Garmin kann dafür etwa als Beispiel dienen. Oder derzeit (hoffentlich) CVS Health.
Natürlich könnte sich dementsprechend auch eine Tui wieder berappeln. Es reicht jedoch nicht, sich den Chart und die Dividenden-Rendite über die vergangenen 5 Jahre anzuschauen. Das ist maximal ein untergeordneter Nebenaspekt. Was ein zu großes Vertrauen etwa in die Dividenden-Historie bedeutet, sieht man z.B. bei Shell, die ihre Dividende von 0,47 Dollar auf 0,16 Dollar pro Quartal gekürzt haben.
Setze auf Stärke, nicht auf Schwäche
Besser bedient ist man hingegen, wenn man in Krise-Situationen Aktien nahe oder auf Allzeithoch sucht. Das sind dann oft auch die Gewinner der nächsten Jahre.
Und die sind heutzutage nicht schwer zu finden.
Hilfreich ist dafür ein Aktien-Screener – etwa finviz.com. Dort klickt man auf „Screener“ und dann auf „Technical“. Bei „52-Week High/Low“ kann man jetzt z.B. „New High“ oder „0-10% below high“ einstellen. Dafür braucht man rund 2 Minuten und muss nicht einmal Geld bezahlen.
Und was finden wir dann so?
Neben Biotech besonders vertreten sind Software, Healthcare, Multimedia, e-Commerce, digitale Zahlungsabwicklung.
Wie interessiert ein Großteil der Anleger jedoch an solchen Aktien ist, zeigt uns wieder Google.
Die Null-Linie heißt übrigens, dass es nicht genug Suchanfragen für eine Auswertung gab. Noch schöner sieht es aus, wenn man die Suchanfragen vergleicht.
ServieNow und The Trade Desk sind nicht einmal mehr zu erkennen. Was es jedoch für dich bedeuten könnte, solche Aktien zu besitzen?
Fazit
Wer mit Aktien, die nahe am Allzeit-Tief stehen, zocken möchte, kann dies gerne tun. Und ich wünsche auch jedem viel Erfolg dabei. Man sollte sich jedoch bewusst sein, aus welchem Grund die Kurse weiterhin so fallen und warum man investieren möchte.
Wer hingegen ernsthaft langfristig in ein Unternehmen investieren möchte und nach Gewinnern sucht, die zwar nicht einfach mal 100 Prozent in einer Woche machen, dafür aber durchschnittlich 15 Prozent p.a. und mehr, muss andere Wege gehen. Man muss Trends erkennen, stark aufgestellte Unternehmen finden, Bilanzen lesen – und sich gedulden. Peter Lynch schreibt dazu in „One up on Wall Street“: „Große Gewinner benötigen in der Regel 3 bis 10 Jahre“.
Wie ich vielversprechende Unternehmen finde und was genau man noch alles aus der Warnung „Turnarounds seldom turn“ lernen kann, dazu mehr in den nächsten Beiträgen.