Wie man einen Aktien-Hype erkennen kann – Teil 1

Einen Aktien-Hype beziehungsweise eine Spekulations-Blase an den Börsen zu erkennen fällt vielen Anlegern schwer. Und tatsächlich ist eine Übertreibung oftmals nicht eindeutig zu identifizieren. Es gibt jedoch diverse Anzeichen beziehungsweise Signale, die auf einen Hype hinweisen können.

Inhalt

Beispiele und Anatomie von Aktien-Hypes

Hypes mit unterschiedlichen Spekulationsobjekten gab es im Laufe der Zeit immer wieder. Bekannter sind zum Beispiel die Tulpenmanie in den Niederlanden im 16. Jahrhundert, die Dotcom-Blase um das Jahr 2000 herum oder die Immobilienblase im Jahr 2007. Eher unbekannt – aber mindestens ebenso lehrreich – sind etwa die Eisenbahn-Blase von 1893, der Nickel-Boom in Australien um 1960 oder die Mississippi-Blase 1720.

Der Verlauf eines Aktien-Hypes kann dabei (nach den Ökonomen Hyman Minsky und Charles Kindleberger) grob in fünf Phasen eingeteilt werden: Verlagerung, Boom, Euphorie, finanzielle Not und Abscheu.

Verlauf Spekulation
Verlauf einer Spekulationsblase

1. Phase: Verlagerung

Eine Erfindung beziehungsweise Veränderung fängt an, die Weltwirtschaft zu beeinflussen. Zum Beispiel die Eisenbahn oder das Internet.

2. Phase: Boom

Das Produkt erlangt öffentliche Aufmerksamkeit. Die Preise steigen zunächst langsam an, die Dynamik nimmt jedoch stetig zu. Es wird vermehrt überschwänglich über die schier grenzenlosen Wachstumsmöglichkeiten berichtet.

3. Phase: Euphorie

Aufgrund der scheinbar immer weiter steigenden Preise steigen nun auch Menschen, die bisher nichts mit dem Investieren von Geld zu tun hatten, auf den Trend/Hype auf.

Stichwort FOMO (Fear Of Missing Out – Die Angst, etwas zu verpassen).

Traditionelle Bewertungsmaßstäbe werden weitgehend ignoriert. Schließlich haben auch der Nachbar, der Moderator im Frühstücksfernsehen und die Typen auf Reddit (die sich selbst als „Apes“ bezeichnen) bereits ein halbes Vermögen mit der Anlage gemacht.

„There’s nothing more agonizing than to see your neighbor who you think has an IQ 30 points below you getting rich buying stocks.“

(Es gibt nichts Quälenderes, als zu sehen, wie Ihr Nachbar, von dem Sie glauben, dass er einen IQ hat, der 30 Punkte unter dem Ihren liegt, durch den Kauf von Aktien reich wird.)

— Warren Buffett

Beispiel für Aktien-Reddit

Vermehrt verschulden sich Marktteilnehmer, um noch mehr – scheinbar todsicheren – Profit erzielen zu können.

4. Phase: Finanzielle Not

Die von Kostolany sogenannten „ruhigen Hände“ (Insider, Experten) fangen an, langsam zu verkaufen. Die Kurse geraten daraufhin leicht unter Druck. Die meisten Anleger sehen diese Kursrückgänge jedoch als Gelegenheit, „günstig“ nachkaufen zu können.

Immer mehr kommt jedoch ans Licht, dass viele Unternehmen nur Luftschlösser errichtet haben und das nie die Absicht bestand, tatsächlich einen Mehrwert für die Aktionäre zu erwirtschaften.

Die verschuldeten Spekulanten geraten aufgrund der weiter zurückgehenden Kurse zunehmend unter Druck und müssen verkaufen.

Die Abwärtsspirale beschleunigt sich.

5. Phase: Panik und Abscheu

Die Nachfrage bricht größtenteils zusammen. Wer in der Phase des späten Booms oder gar der Euphorie eingestiegen ist – und möglicherweise in der Abwärtsphase nochmal nachgekauft hat -, sitzt auf (prozentual) großen Verlusten.

Insolvenzen und Vermögensverluste greifen anschließend oft auf weitere Wirtschaftszweige über. Eine Rezession beginnt.

Weitere Kennzeichen einer Aktien-Blase

Die fünf Phasen sind eher eine grobe Unterteilung. Im Nachhinein sind die einzelnen Schritte zwar gut zu erkennen. Während der Entwicklung ist dies jedoch äußerst schwer. Arbeiten wir uns also weiter ins Detail vor, welche Kennzeichen noch auf eine Blase hindeuten können.

Robert Shiller und Ray Dalio zu Spekulationsblasen

Robert Shiller (Ökonom und Professor) führt fünf Kennzeichen an, die auf eine Spekulationsblase hinweisen:

  • stark ansteigende Kurse
  • das Kursieren von Geschichten, welche angebliche Gründe und Rechtfertigungen für die hohen Preise liefern
  • eine erhebliche Anzahl von Leuten, die damit angeben, wie viel Geld sie an der Börse machen
  • eine erhebliche Anzahl von Leuten, die neidisch sind und sich ärgern, nicht eingestiegen zu sein
  • eine diese Trends verstärkende Berichterstattung der Medien

Ray Dalio (Bridgewater Associates) benennt sechs grundsätzliche Kennzeichen:

  • Wie hoch sind die Preise im Vergleich zu traditionellen Maßstäben?
  • Ist es realistisch, dass die Preise nachhaltige Bedingungen wiedergeben? (Diskontierung)
  • Wie viele neue Käufer (welche vorher nicht im Markt investiert waren) sind hinzugekommen?
  • Wie positiv ist die Gesamtstimmung?
  • Sind die Käufe/Investitionen mit hohen Kreditsummen finanziert?
  • Haben Käufer außergewöhnlich ausgedehnte Terminkäufe getätigt um zu spekulieren oder sich gegen zukünftige Kursgewinne abzusichern?

Aktuelle Einschätzung

Derzeit gibt es, meiner Meinung nach, in einigen Bereichen zumindest eine Überbewertung und manche Kennzeichen sprechen für einen (beginnenden) Hype. Sektoren, die aktuell (in Teilen) zu einer Blase neigen, sind „Erneuerbare (saubere) Energien/Elektromobilität“, „High-Tech/Cloud“ und „Kryptowährungen“.

Betrachtet man die fundamentalen Bewertungen und die Charts zu einigen Unternehmen aus diesen Bereichen und legt sich die Grafik zur „Anatomie“ eines Aktien-Hypes noch einmal daneben, werden gewisse Parallelen erkennbar.

Chart von Plug Power
Bewertung Plug Power (EV/Sales)
Chart von Tesla
Bewertung Tesla (EV/Sales)
Chart von Ballard Power
Bewertung Ballard (EV/Sales)
Chart von Bitcoin/USD
Chart von 3D-Systems

Auch die Kennzeichen von Dalio und Shiller könnten für eine Überbewertung sprechen (derzeitige Situation):

  • Sind viele neue Käufer hinzugekommen? (Ja)
  • Sind die Preise, im Vergleich zu traditionellen Maßstäben, erhöht? (teilweise)
  • Verstärkte Berichterstattung der Medien? (Erhöht)
  • Wird viel mit Kredit investiert (teilweise, siehe Pleite von Archegos Capital)
  • Diskontierung gerechtfertigt/realistisch? (Ja)

Zudem befindet sich das „Shiller-PE„, welches als Indikator für eine Über-/oder Unterbewertung fungieren kann, derzeit wieder auf einem hohen Niveau.

Shiller-KGV für den S&P 500

Das Shiller-KGV sagt jedoch nicht direkt einen Crash voraus, sondern vielmehr die zu erwartende Rendite der kommenden Jahre. (Es gibt jedoch auch durchaus berechtigte Kritik am Shiller-KGV)

Demnach könnte ein reiner ETF auf den S&P 500 in den nächsten Jahren eine niedrigere Performance – genauer gesagt liegt die zu erwartende Rendite in den kommenden 10 Jahren demnach bei rund 3,5 Prozent pro Jahr – erbringen als in der letzten Dekade.

Fazit

Wer die Kennzeichen für einen Aktien-Hype kennt, kann sich davor bewahren, zu einem ungünstigen Chance-/Risiko-Verhältnis in eine Aktie einzusteigen beziehungsweise den Absprung zu verpassen.

Auch derzeit gibt es wieder einige Sektoren beziehungsweise Aktien, die in Richtung Überbewertung tendieren beziehungsweise bereits wieder dabei sind, den Hype abzubauen.

Es gilt jedoch, und das möchte ich noch einmal betonen: Wer langfristig denkt, überlegt handelt und entsprechend sein Geld anlegt – sei es mit einem ETF-Sparplan auf große Indizes wie den MSCI World, S&P 500, ect. oder auch eine eigene Auswahl an Aktien – und auch Phasen aussitzen kann, in denen es abwärts geht, hat beste Chancen, gute Renditen zu erwirtschaften.

Wer hingegen immer den aktuellen Trend-Aktien, ohne wirklichen Investment-Plan, nachläuft, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nur sehr geringe oder sogar negative Renditen einfahren. Angelehnt an das bekannte Motto: „Hin und Her macht Taschen leer“.

Im zweite Teil geht es dann noch mehr ins Detail und auch darum, wie man das Ende eines Aktien-Hypes erkennen kann.

Schreibe einen Kommentar